Heilige Elisabeth von Thüringen
Gedanken zur Heiligen Elisabeth von Thüringen
Liebe Leserinnen und Leser,
viele von Ihnen kenne ich persönlich und doch möchte ich mich kurz vorstellen. Elisabeth Schulz, ich bin hier in unserer Pfarrei tätig als Gemeindereferentin, insbesondere als Kita- und Familienseelsorgerin und Fachkraft zur Prävention vor Missbrauch. Meine Eltern haben mir zwei Vornamen gegeben, die mit Frauen zu tun haben, deren Lebensgeschichte, in der Betrachtung aus heutiger Sicht, viele Fassetten haben, die zum Nachdenken anregen. Elisabeth und Margarete, beides Frauen, die in unserer Kirche Geschichte geschrieben haben. Um die eine geht es heute.
Elisabeth von Thüringen.
Patronin der Nächstenliebe wird sie genannt. Eine Heilige, die für uns zum Vorbild werden kann.
Es gab und gibt Menschen in Kirche und Gesellschaft, die dazu neigen, Heilige nicht als Vorbilder wahrzunehmen, sondern sie zu Idolen machen und ihr Leben mit allen Fassetten von Freude und Leid glorifizieren, bis dahin, dass ein Bild entsteht, das völlig realitätsfremd, fern ab der Lebenswelt des Menschen, ist.
Wenn wir auf Elisabeth schauen, meine ich nicht die Wundererzählungen – das Rosenwunder ist eine Weise, von Elisabeths Beziehung zu den Menschen zu erzählen, die von Liebe und Zuneigung, Zuwendung geprägt war. Ein Kind hat es einmal mit den Worten beschreiben: „Der Mann von der Elisabeth konnte doch gar nichts anderes sehen als Rosen. Er hat sie doch lieb gehabt. Und die Elisabeth hat Liebe verschenkt – also Rosen.“ Dies bedeutet, in dieser Wundererzählung wird die liebende Zuwendung bildlich dargestellt. Passt zur Patronin der Nächstenliebe.
Nun noch einmal zum Anfang. Ich möchte heute mit ihnen einen realen Blick auf Elisabeth von Thüringen wagen. Auf die Heilige als Mensch und Vorbild. Und dazu gehört der Blick auf eine Frau, die wirklich ein Leben gelebt hat, das von Anfang an fremdgesteuert war. Aus dem ungarischen Königshaus stammend, wurde sie, der damaligen Praxis entsprechend, bereits mit vier Jahren verlobt und wuchs in Thüringen im Haus ihres zukünftigen Ehemannes auf.
In Elisabeth wächst ein Traum der Christusnachfolge, den sie Realität werden lässt, und Wege sucht, ihn zu verwirklichen.
Für sie heißt Christusnachfolge – Nächstenliebe, Zuwendung zu den Armen und Kranken. Und das bedeutet für sie, aufzustehen und sich einem System entgegenzustellen, das die Ursache von Ausgrenzung und Armut ist. Dafür erntete sie vor allem Unverständnis, Spott und Ausgrenzung. Insbesondere von den Menschen, die zu ihrer Familie gehörten, die sie sich ja nicht selbst ausgesucht hatte.
Ich versuche immer wieder nachzuempfinden, was in einer jungen Frau vorging, die mit so einem Leben fertig werden musste. Früh von den Eltern getrennt, entwurzelt, aufwachsen in einem Umfeld, ohne Liebe - nur Prunk, Macht und Konsum spielten eine Rolle.
- Da war ihre innere Überzeugung, dagegen aufstehen zu müssen, dass dieses System nur Leid und Ungerechtigkeit verbreitet.
- Sie war sehr jung und hatte bereits drei Kinder – eine kleine Familie, deren Existenz keine Zukunft hat. - Die ganz schnell zerstört wird. –
- Ein Lichtblick war die Verbindung und vielleicht auch Liebe zu einem Mann.
- Und dann waren da die andren, die ihr einen Platz im Leben zuzuweisen, den sie für Elisabeth für den angemessenen halten.
Welchem Druck ist diese junge Frau ausgesetzt, wie mag sie es versucht haben, mit sich selbst versucht, auszumachen ... .
Wenn ich, Elisabeth Schulz, mein eigenes Leben betrachte, möchte ich sagen, dass ich dankbar dafür bin, wie ich aufgewachsen bin und leben darf. Ich gestalte und teile mein Leben mit und für andere und lass mich dabei von einem Gottesbild leiten, welches vielleicht auch zum Teil zum Traum von Elisabeth gehörte. Es ist das Bild von einem Gott, der Leben schenkt, der bedingungslos liebt und uns die Freiheit gibt zu entscheiden, ob wir in dieser Liebe leben wollen. Das ist die Freiheit, ein Kind Gottes zu sein. Auch mein Leben ist geprägt, von Höhen und Tiefen, das ist das menschliche daran. Auch wenn es nicht vergleichbar damit ist, was Menschen wie Elisabeth aushalten müssen. Wie gut ist es, wenn ich in schwierigen Momenten Menschen an meiner Seite habe, die mich ein Stück des Weges begleiten und mir von dieser bedingungslosen und liebenden Zuwendung Gottes erzählen. Das gibt mir Kraft und lässt mich innerlich wachsen, auch um meinen inneren Traum der Chirstusnachfolge zu leben.
Aber leider gibt es bis heute noch zahlreiche Menschen, die ein Gottesbild verbreiten, das dazu dient, Macht über Menschen auszuüben, sie klein zu machen, anstatt sie aufzurichten. Hier sind wir dann wieder bei Elisabeth von Thüringen: die junge Frau ist am Tiefpunkt ihres Lebens einem solchen Menschen begegnet. Als der gefürchtete Kreuzzugprediger und Inquisitor Konrad von Marburg den Hof bei Eisenach betritt, wird er zum geistlichen Leiter Elisabeths.
In der weiteren Betrachtung möchte ich Valerie Mitwali von der Ruhr Uni Bochum zitieren. Auf katholisch.de schreibt sie folgendes: „Konrad sah in Elisabeth eine Chance, als „Macher“ einer neuen Heiligen Ruhm zu erlangen. Er übt starken Druck auf sie aus und treibt sie zu immer neuen asketischen Höchstleistungen an. Dies hat zur Folge, dass sie von ihrer Familie als nicht mehr zurechnungsfähig angesehen wird. Und letztendlich mit ihren Kindern auf der Straße steht. Konrad lässt nicht locker, übt weiterhin Einfluss auf Elisabeth aus – auf seinen Druck hin isoliert sie sich und gibt sogar ihre Kinder ab.“
Was für ein Gottes- und Menschenbild muss dieser Konrad gehabt haben ... .
Ein Deutungsversuch liegt in der Betrachtung des ersten Bildes.
Dies ist die Darstellung von Abraham, der auf den vermeintlichen Ruf Gottes seinen eigenen Sohn, auf den er so lange gewartet hat, Gott als Opfer darbringt. Er hat schon das Messer an den Hals des eigenen Kindes gesetzt. Was für ein Gottesbild muss dieser Abraham gehabt haben? Dass er auf eine Stimme hört, die von ihm verlangt Leben zu nehmen. - Meins ist es nicht. - Und wenn wir es weiter betrachten, wie der Engel seine Hand auf die Schulter Abrahams legt und im Arm ein Lamm hält, um dem kleinen Isaak das Leben zu schenken. Im letzten Moment greift Gott ein.
Ich hätte Elisabeth von Thüringen Menschen an ihrer Seite gewünscht, die von einem Gott erzählen, der Leben schenkt, der aufrichtet. Dann wäre sie vielleicht nicht als junge Frau und Mutter von drei Kindern in völliger Einsamkeit und völliger Entkräftung gestorben ... .
Ich glaube, dass sie durch das fremdgesteuerte Leben keine Chance gehabt hatte, ihr Leben anders zu gestalten, ihren Glauben frei zu leben und ihre Gottesbeziehung wachsen zu lassen. Um dann vielleicht auch erfahren zu können, dass auch sie ein geliebtes Kind Gottes ist. Und dass sie sich diese Liebe nicht verdienen muss. Und ich glaube auch, dass es die Zeit war, in der der Glaube an Gott benutzt wurde, um Menschen zu manipulieren, klein zu halten, ihnen die Würde zu nehmen.
Klingt sehr düster und ist es auch. Wenn wir uns einreihen in die Christusnachfolge und Elisabeth als Vorbild nehmen, muss es für uns aber nicht düster bleiben ... . Es gibt da etwas, was Jesus bereits den Menschen zugesprochen hat … .
Kraft aus dem Glauben zu schöpfen, weil ich mir einer Liebe gewiss bin, weil ich in einer Beziehung zu Gott lebe, zu einem Gott, der mit mir geht und nicht von mir erwartet, dass ich lebensvernichtende Opfer bringe. Dass ich dafür einstehen kann, dass wir von einem Gott sprechen, der Leben schenkt. Wie gestalte ich dies? Darf ich denn so eigenständig sein. Gibt es da nicht andere, die es mir sagen können wie es richtig ist? Denke ich sogar falsch?
Eine einfache Antwort habe da nicht. Und ich weiß auch nicht, ob dies, von dem ich gleich sprechen werde, eine Lösung für Elisabeths schweren Lebensweg gewesen wäre.
Schauen wir noch einmal auf den Aspekt der Freiheit, als Kind Gottes leben zu können.
Es gibt da etwas, dass nennt sich spirituelle Autonomie – und warum ich das nicht nur Elisabeth von Thüringen gewünscht hätte, sondern auch uns wünsche, verrät uns vielleicht die Betrachtung des nächsten Bildes.
Auf diese Jesusdarstellung blicken Sie, wenn sie die Marienkirche in Aulhausen betreten. Weit breitet er seine Arme aus, er steht auf einem festen Untergrund und empfängt die Menschen, die auf ihn zu gehen. Ein Kreuz ist nicht zu sehen.
Geschnitzt aus einer alten Eiche, angefertigt von Julius Bockelt, Künstler der Akademie Goldstein in Frankfurt und im Jahr 2015 fertiggestellt. Das Atelier Goldstein ist eine Einrichtung der Lebenshilfe und bietet Künstlerinnen und Künstlern mit Beeinträchtigung Raum für ihr künstlerisches Wirken.
Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit mit Julius Bockelt ins Gespräch zu kommen und mich mit ihm über diese Jesusdarstellung auszutauschen. - Als wir beide darauf zugingen, berührte er diesen Jesus mit seiner Hand. Er war lang nicht hier gewesen. - Auf meine Frage wie es dazu kam, dass dieser Jesus ohne Kreuz im Altarraum dargestellt wird, erzählte er mir folgendes.
Während der Planung sprach sich einer aus der Reihe der Auftraggeber dafür aus, dass es ein Jesus am Kreuz sein muss. Als christliches Hoffnungszeichen gehöre das Kreuz dazu. Seine Antwort darauf war, ich darf Julius Bockelt an dieser Stelle zitieren: „Entweder eine Jesus mit offenen Armen ohne Kreuz oder gar kein Jesus von mir. Für mich ist Jesus nicht mehr am Kreuz. Er ist der, der mit weit ausgebreiteten Armen da steht, die uns umschließen möchten.“
Auf eins konnte er sich einlassen, dass er die Wundmale darstellt. Auch wenn er dies nicht für notwendig hielt, in dem was er in der künstlerischen Darstellung aussagen möchte.
Selbstbewusst und eigenständig lebt Julius Bockelt mit seiner eigenen Spiritualität und lässt uns daran teilhaben, in dem er diese Christusdarstellung so anfertigt, wie es seinem Bild, seiner gelebten Spiritualität entspricht. Besonders berührt hat mich dabei, dass Julius Bockelt so offen über seinen Glauben spricht. Es gehört sehr viel Mut dazu, andere an unserer eigenen Spiritualität teilhaben zu lassen. Denn damit gebe ich ein Stück von mir und meiner Gottesbeziehung preis. In diesem Miteinander sollten sich die Menschen mit Respekt begegnen. Ein achtsamer Umgang mit dem Gesagten und Gehörten kann uns wachsen lassen und näher zu Gott und seiner Lieb bringen. Ein Einwirken auf das Gesagte und Gehörte für die eigenen Zwecke und Ziele, wie es Konrad bei Elisabeth getan hat, ist Missbrauch. Denn es bedeutet, dass mein Gegenüber sich zwischen mir und Gott stellt. Leider geschieht dies heute immer noch.
Zwischen diesen beiden Bildern möchte ich das Gewand der Heiligen Elisabeth hier in der Kirche stellen. Es ist ein stummes Zeugnis davon, wie ein für mich, falschverstandener Ruf Gottes leben zerstören kann, anstatt Leben zu schenken. Es braucht Menschen, die gegen ein entwürdigendes System aufstehen und dafür einstehen, dass unser Gott ein Gott des Lebens und der Liebe ist. Hören wir auf unser Herz, in das Gott hineinspricht und wägen wir selbst ab, ob das Gehörte Leben schenkt oder vernichtet. Wir sind geliebte Gotteskinder, wir können an der Fähigkeit es zu erkennen arbeiten und sie immer besser werden lassen.
Dazu braucht es dann im Weiteren Menschen, die miteinander Glauben leben, die Achtsamkeit und spirituelle Autonomie als Teil des Evangeliums leben. Und es braucht uns (mich), die versuchen zu verstehen, was Jesus damit meint, wenn er sagt: Liebe den Herrn, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen, deiner ganzen Seele und deiner ganzen Kraft und liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Elisabeth von Thüringen ist Vorbild für uns in der Zuwendung und Liebe zu dem Nächsten – gewünscht hätte ich Ihr, dass sie die Chance gehabt hätte, die Liebe zu Gott anders ausdrücken zu können, als es von ihr abverlangt wurde, dann wäre auch das Dritte eingetreten: Ich darf gut zu mir sein.
Das Bußgewand der Heiligen Elisabeth zwischen den beiden Darstellungen von Tod und Leben, ist Zeugnis dafür, dass es ein gesundes Maß an Liebe zu den Mitmenschen und Liebe zu mir selbst braucht, um die Botschaft Jesu zu leben.
Gott ist an unserer Seite.